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101 Flüchtlinge "über Nacht": "Das soll uns erstmal jemand nachmachen"

101 Flüchtlinge "über Nacht" : "Das soll uns erstmal jemand nachmachen"

Quasi über Nacht hatte die Stadt Viersen eine Herkulesaufgabe zu bewältigen. Am Donnerstagmorgen lag der Stadt ein Schreiben der Bezirksregierung vor, in dem sie aufgefordert wurde, bis Freitag, 24. Juli, 18 Uhr, eine Notunterkunft für 150 Flüchtlinge bereitzustellen.

Als am Freitagabend dann um 19.30 Uhr und 20.15 Uhr die beiden Busse aus Dortmund ankamen, zählten die Mitarbeiter des Sozialdienstes der Stadt insgesamt 101 Flüchtlinge, darunter 35 Kinder.

Ab Donnerstagvormittag arbeitete der "Krisenstab" der Stadt Viersen, um die Turnhalle am Ransberg für die Flüchtlinge bewohnbar zu machen. 150 Betten wurden aus der Notfallreserve von Stadt und Kreis Viersen organisiert. Das Gesundheitsamt und das Deutsche Rote Kreuz bauten Zelte für die medizinische Versorgung und zur Lebensmittelausgabe auf, weitere WC- und Duschcontainer wurden errichtet. Das Allgemeine Krankenhaus Viersen erklärte sich bereit, für die Flüchtlinge zu kochen, und die Stadt Viersen engagierte auch noch einen Wachdienst - ganz so, wie es die Bezirksregierung forderte.

 Das Gelände am Ransberg ist derzeit abgesperrt. Wer helfen möchte, soll sich bitte an den SKM wenden. (Kontakt siehe Text)
Das Gelände am Ransberg ist derzeit abgesperrt. Wer helfen möchte, soll sich bitte an den SKM wenden. (Kontakt siehe Text) Foto: Horst Grasemann

Aber über die Art und Weise, wie die Bezirksregierung ihre Forderungen mitteilte, ärgerte sich Dr. Paul Schrömbges, Erster Beigeordneter der Stadt: "Hätten wir die Nachricht zwei Stunden früher erhalten, hätten wir 15 Stunden mehr Zeit für die Organisation gehabt." Auch über die Flüchtlinge selbst wussten die Mitarbeiter der Stadt bis zu dem Zeitpunkt, als sie am Freitag aus ihren Bussen stiegen, nichts. "Der ganze Informationsfluss war unkollegial und unprofessionell", so Schrömbges.

Bürgermeister Günter Thönnessen kam aus dem Urlaub zurück

Bürgermeister Günter Thönnessen erreichte die Nachricht seines Ersten Beigeordneten Dr. Paul Schrömbges über die bevorstehende Ankunft der Flüchtlinge im Urlaub. Viersens Stadtoberhaupt war in der Eifel seinem Hobby der Bildhauerei nachgegangen, als er die Email las: "Das man uns als Stadt so kurzfristig informiert, das halte ich für skandalös", so Thönnessen, der sich gleich ins Auto setzte, um sich am Wochenende ein Bild von der Lage vor Ort zu machen.

 So sieht es in der Turnhalle am Ransberg jetzt aus: 150 Betten, Sitzgelegenheiten. Auch eine Handyladestation wurde errichtet.
So sieht es in der Turnhalle am Ransberg jetzt aus: 150 Betten, Sitzgelegenheiten. Auch eine Handyladestation wurde errichtet. Foto: Photographer: Roland Zerwinski

Und was er an der Sporthalle am Ransberg in Dülken sah, beeindruckte ihn: "Ich bin baff und erstaunt, was die Menschen in so kurzer Zeit auf die Beine gestellt haben. Einen großen Dank an Herrn Schrömbges, Herrn Kersbaum von der Feuerwehr, an die Jungs vom THW und dem DRK, die Dolmetscher der Freiwilligen-Zentrale sowie an das Allgemeine Krankenhaus in Viersen. Sie haben das menschenmögliche geleistet."

Erster Beigeordneter Dr. Paul Schrömbges war sichtlich stolz auf das Geleistete: "Am Freitag ging es um 6.30 Uhr mit den Maßnahmen los. Und am Freitagabend waren wir um 19 Uhr mit allem fertig. Als um 22 Uhr die Menschen ihr Abendessen bekommen haben, kehrte Ruhe ein in die Halle. So eine Leistung soll uns erst einmal jemand nachmachen."

Selbst Trennwände konnten in der Kürze der Zeit organisiert werden.
Selbst Trennwände konnten in der Kürze der Zeit organisiert werden. Foto: Photographer: Roland Zerwinski
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Jetzt laufe die Notunterkunft für die Flüchtlinge im "Normalbetrieb", sagte Wehrführer Frank Kersbaum, der sich um viele logistische Dinge kümmern musste: "Die Abwasseranlage der Halle ist nicht für eine derartige Nutzung ausgelegt. Und auch die Stromversorgung mussten wir sicher stellen. Ebenso haben wir kurzerhand einen Wickelraum für die Säuglinge eingerichtet." Alle diese Probleme seien gelöst. Sogar Trennwände für die 23 Familienverbünde unter den Flüchtlingen konnten organisiert werden.

Ein Baby musste ins Krankenhaus

Als die Flüchtlinge am Freitagabend in Viersen ankamen, stand für diese erst einmal eine gesundheitliche Untersuchung auf dem Programm. Eine Mutter musste ihr Baby ins Krankenhaus begleiten, da es hohes Fieber hatte. Ansonsten gehe es den Flüchtlingen den Umständen entsprechend gut, so Schrömbges. Unter ihnen gebe es sowohl sehr arme Menschen, die nur "das bei sich haben, was sie am Leib tragen", als auch gut ausgebildete Studenten mit höherem Lebensstandard, die aber aufgrund der Konflikte in Syrien oder dem Iran ihr Land verlassen mussten.

Bürgerhilfe wird gern in Anspruch genommen

Trotz der guten Erstversorgung in der Turnhalle müsse aber an der ein oder anderen Stelle noch "feinjustiert" werden: "Wir könnten noch Bettwäsche und Laken gebrauchen. Auch Spielzeug für die Kinder ist gern gesehen", sagt Frank Kersbaum. Einige Viersener waren sogar am Freitagabend schon mit ersten selbst gepackten Hilfspaketen vor Ort. "Die Stimmung am Ransberg war sehr entspannt. Viele Menschen haben sich die Ankunft der Flüchtlinge angeschaut. Und als man mit den Beobachtern ins Gespräch kam, merkte man echtes Interesse für die Situation der Flüchtlinge", berichtet Schrömbges.

Menschen, die helfen möchten, können sich an den Sozialdienst Katholischer Männer (SKM) wenden, der derzeit die Koordination des "Runden Tischs Asyl" inne hat. Diese ist unter Telefon 02162/ 29288 oder per Email unter info @skm-kempen-viersen.de erreichbar.

(Report Anzeigenblatt)