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Interview: ZAPUH - In der letzten Lebensphase

Interview : ZAPUH - In der letzten Lebensphase

Kennen Sie ZAPUH? ZAPUH steht für Zentrum für ambulante Palliativversorgung und Hospizarbeit im GrenzLand. Der Verein ZAPUH möchte frischen Wind in die Palliativversorgung und die Hospizbewegung bringen und die Versorgung und gute Betreuung von Menschen in ihrer letzten Lebensphase stärken.

Redakteurin Claudia Ohmer hat mit der Koordinatorin des 2015 gegründeten Vereins, Ida Lamp, gesprochen.

Frau Lamp, Sie sind Koordinatorin von ZAPUH? Was ist ZAPUH eigentlich?
Ida Lamp: ZAPUH ist eine Vision von guter Palliativversorgung für Hochbetagte und Demente, für Sterbende und ihre Angehörigen im Grenzland. Zu so einer guten Versorgung gehören Professionelle verschiedener Berufsgruppen und Ehrenamtliche. Deswegen haben sich Hausarztzentrum und Palliativpflegedienst Kriegers engagiert und auch einen Hospizdienst gegründet, der seit Oktober 2015 Beratung und Begleitungen leistet.

Es gibt nur wenige Dienste, die sich im Kreis um dieses immer wichtiger werdenden Thema kümmern?
Im Kreisgebiet gibt es die in Viersen ansässige Hospizinitiative Kreis Viersen und den Malteser Hospizdienst in Grefrath. ZAPUH GrenzLand ist vor allem im Westkreis tätig, in den Gemeinden Brüggen, Schwalmtal, Niederkrüchten und in Süchteln.

Wie ist der Verein ZAPUH verzahnt?
Als Hospizdienst arbeiten wir mit allen Pflegediensten in der Region zusammen und haben auch zu dem ein und anderen bereits persönlichen Kontakt. Wir arbeiten eng verzahnt mit dem Hausarztzentrum in Brüggen und dem Palliativpflegedienst Kriegers im Rahmen eines Kassenvertrags zur Allgemeinen Palliativversorgung (AAPV) zusammen. Aber auch da gilt: Wir sind für alle Hausärzte der Region ansprechbar.

Was leistet ein Hospiz und Palliativberatungsdienst? Warum ist diese Arbeit so wichtig?
Das sind zwei Stränge der Arbeit: Als hauptamtliche Fachkraft führe ich Beratungsgespräche in der häuslichen Umgebung und in meinem Büro durch. Die haben zum Ziel, wo möglich und nötig die medizinisch-pflegerische Situation zu verbessern, zu unterstützen, zu entlasten und vieles mehr. Und natürlich zu schauen, ob ehrenamtliche Begleitung hilfreich sein kann und gewünscht wird.
Die ehrenamtlichen Begleiter sind mit all dem gefragt, was es so im menschlichen Zusammenleben gibt bzw. was da fehlen mag: Sie sind da, wenn jemand allein ist, lenken ab, reden oder schweigen mit jemandem, lesen vor, halten mit aus. Sie entlasten Angehörige, die mal raus aus der Enge der Pflege müssen und sind dann statt ihrer daheim. Sie hören zu, sie begleiten. Sie teilen ganz normales Leben — scheuen aber auch nicht Tränen und Schmerz, unangenehme Gerüche, entstelltes Aussehen, seelisches Leid und Ähnliches.

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Welche Rolle spielt das Ehrenamt in der Hospizversorgung?
Ohne Ehrenamt ist Hospizversorgung und PalliativeCare nicht denkbar, auch weil nicht bezahlbar.

Was muss ein Mensch mitbringen, der sich ehrenamtlich in der Hospizarbeit engagieren möchte?
Ich würde salopp mal sagen: Sich selbst muss ein Mensch mitbringen.
Als Institution schauen wir aber natürlich auf den Menschen, damit er auch wirklich anderen hilfreich ist. Er sollte nicht akut selber in Trauer sein und nicht suchterkrankt oder (akut) psychisch krank sein. Man braucht sicher die Fähigkeit im Team zu arbeiten und auch die, was man erlebt, verarbeiten zu können. Dafür gibt es aber auch viel Hilfe. Die Aufgaben sind super vielfältig und da ist für jeden was dabei.
Wir haben einmalige Einsätze ebenso wie längerfristige Engagements zu vergeben. Alle Ehrenamtlichen, die Sterbende begleiten, werden in Kursen befähigt, sich mit Sterben auseinanderzusetzen. Bei patientenfernen Einsätzen schaue ich gemeinsam mit den Interessierten, was sie an Schulung machen wollen und was nötig ist, um uns hilfreich zu sein.

Was ist generell wichtig — was kann man für den Sterbenden tun, was braucht ein Sterbender?
Das ist so verschieden wie wir Menschen sind. Am wichtigsten ist die Bereitschaft, sich selbst mitzubringen und einzulassen, auf das, was halt gerade passiert.

Was kann ein Sterbebegleiter für die Angehörigen tun, was braucht ein Angehöriger?
Hier gilt das gleiche. Der eine braucht ein offenes Ohr, der nächste will einfach mal raus aus, wieder ein anderer braucht den Austausch von Erfahrungen, das beratende, informierende Gespräch über das, was beim Sterben mit dem Sterbenden passiert, Ermutigung und Trost, das Mitgehen zu einem stationären Hospiz, das gemeinsame Ausharren beim Sterbenden, das Aufräumen von Unterlagen und vieles mehr.

Ist ein Wandel in der Gesellschaft zu erkennen, wenn man den Umgang mit Sterben, Tod und Trauer betrachtet?
Schwierige Frage. Eine Veränderung, die mir auffällt, bricht sich langsam Bahn: Die Zahl derer wächst, die nicht mehr daheim, sondern in einer Einrichtung sterben wollen. Das liegt wahrscheinlich an der Zunahme der Single-Haushalte. Noch will aber die Mehrheit zu Hause in den eigenen vier Wänden sterben. Meines Erachtens sind Sterben, Tod und Trauer zwar besprechbarer geworden, aber eher abstrakt. Männer fehlen in der Begleitung Sterbender nach wie vor fast ganz. Wir brauchen mehr Solidarität mit Hochbetagten, die es immer zahlreicher geben wird.

Warum war die Reform bzw. Verbesserung des Hospiz- und Palliativgesetzes notwendig? Was ändert sich?
Das kann man gar nicht in Kürze beantworten. Es gab vor allem für den Bereich der Altenpflege noch keinerlei Vorschriften für die Qualifizierung der Mitarbeiterinnen in PalliativeCare, obwohl mindesten 50 Prozent der Heimbewohner in einem Jahr versterben. Für uns als Hospizdienst ist wichtig, dass die Heime aufgefordert sind, mit den ambulanten Hospizdiensten zu kooperieren.
Auch die Krankenhäuser wurden aufgefordert, ihre Begleitung Sterbender zu überdenken und auch mit Hospizdiensten zu kooperieren.
Die Finanzierung für die ambulanten Hospizdienste wurde insofern verbessert, als dass die Förderung stabiler planbar gemacht wurde. Allerdings müssen wir als neuer Dienst 2015 und 2016 fast komplett aus eigener Tasche finanzieren und sind auf alle Mitgliedschaften und Spenden sehr angewiesen.

Ein Schritt in die richtige Richtung. Aber längst nicht genug?
Ja, es braucht mehr Bewusstsein in der gemeindlichen Politik, dass wir nachhaltig etwas tun müssen, um Hausärzte zu finden, die auch morgen noch zu sterbenden Patienten rausfahren. Wir müssen am Image der Pflege arbeiten — und an der Bezahlung, damit es auch morgen noch genug Pflegekräfte gibt. Ausbeutung anderer Menschen aus anderen Ländern, die manches Mal zu Hungerlöhnen hier arbeiten und oft viel zu wenig sprachmächtig sind, wird perspektivisch nicht funktionieren und gesellschaftlich mehr Probleme bringen als lösen. Wir brauchen Solidarität untereinander, damit Sterbende nicht den raschen Tod als beste Lösung suchen, sondern würdevoll leben bis zuletzt.