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Viersens Jugendforensik wird erweitert

Viersens Jugendforensik wird erweitert

Seit drei Jahren gibt es in der LVR-Klinik Viersen eine Jugendforensik (Maßregelvollzug) mit insgesamt zwölf Plätzen – es ist eine von zehn solcher Einrichtungen bundesweit. Hier sind jugendliche Straftäter untergebracht, die von einem Gericht aufgrund einer psychischen Erkrankung als nicht oder nur eingeschränkt schuldfähig beurteilt wurden.

„Es gibt nur selten Fälle, in denen Gerichte Jugendliche und Heranwachsende zur Unterbringung in einer forensisch-psychiatrischen Klinik ohne zeitliche Beschränkung verurteilen“, erklärt Klaus Lüder, der Leiter des Fachbereiches Maßregelvollzug beim LVR. Um diese Jugendlichen angemessen behandeln zu können, wurde im Oktober 2013 für das Rheinland die zentrale Jugendstation in der forensischen LVR-Klinik in Viersen eingerichtet. Dr. Klaus Elsner, therapeutischer Abteilungsleiter: „In der Jugendabteilung geht es zum einen um die Behandlung der psychischen Störungen, die zu den Straftaten der Patienten geführt haben, zum anderen sind wir aber auch dem Erziehungsgedanken verpflichtet und bemühen uns um eine entwicklungs- und förderorientierte Ausgestaltung des Maßregelvollzugs – ohne den Sicherungsaspekt zu vernachlässigen.“

In Viersen werden aktuell zwölf junge Männer im Alter von 16 bis 21 Jahren behandelt. Nach nun drei Jahren Jugendforensik in Viersen wurde eine erste Auswertung auf einer Fachtagung Anfang Dezember präsentiert. Mehr als 100 Experten aus ganz Deutschland und Europa, darunter Vertreterinnen und Vertreter von Justiz, Jugendhilfe und Polizei, diskutierten über Jugendliche im Maßregelvollzug.

Es gibt deutlich mehr gewaltbereite junge Männer als junge Frauen – das Verhältnis bei Gewaltdelikten liegt bei 6:1. Nichtsdestotrotz würden auch die Mädchen schwieriger, „auch hier gibt es einen Bedarf an Plätzen im Maßregelvollzug der Jugendforensik“, betont Professor Friedrich Lösel vom Institute of Criminology von der University of Cambridge. Die Notwendigkeit einer Jugendforensik habe man mittlerweile erkannt, denn junge Menschen könnten eine optimale Behandlung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie genauso wenig erhalten wie in der Erwachsenenforensik. „Ob Impulskontrolle oder die Entwicklung der eigenen Sexualität – bei den Jugendlichen muss und kann sich vieles noch entwickeln und verändern, hier setzt die Behandlung auch an“, sagt Dr. Klaus Elsner.

Viele der psychisch kranken Jugendlichen wurden bereits in ihrer Kindheit Opfer von Vernachlässigung und Misshandlung, bevor sie selbst zum Teil schwere Straftaten verübten. Im Maßregelvollzug erlebten sie erstmals, was der Begriff „Zuhause“ bedeutet, wie es sei, angenommen zu werden und Beziehungen aufbauen zu können. „Deshalb lautet für uns die Kernfrage, wie wir diese Jugendlichen behandeln und betreuen, so dass sie wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden können“, sagt Dr. Klaus Elsner. Dies sei auch im Sinne eines künftigen Opferschutzes wichtig.

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Die Einrichtung macht Sinn, so das Resümee. Fünf junge Männer leben mittlerweile außerhalb der Forensik ohne wieder straffällig geworden zu sein. Die Rückfallquoten im Regelstrafvollzug lägen deutlich höher, nämlich bei 60 Prozent. „Der Maßregelvollzug ist wesentlich intensiver, eine Entlassung erfolgt erst nach gründlicher Prüfung durch Gutachter und dann langsam und stufenweise“, erklärt Klaus Lüder.

Ein weiterer Vorteil sei, dass das Alter der jungen Straftäter im Behandlungsablauf nicht wirklich relevant ist. Wenn es sich als erforderlich erweist, ist hier nicht mit 18 Jahren Schluss, sondern die Behandlungsdauer kann bis zum Alter von bis zu 24 Jahren erweitert werden. Bundesweit gibt es ungefähr 250 solcher jugendforensischen Plätze. „Für Mädchen gibt es noch kein vergleichbares Angebot, deshalb planen wir 2017/2018 eine Aufstockung auf 24 verfügbare Plätze, von denen ein Teil auch weiblichen Jugendlichen zur Verfügung stehen soll“, sagt Klaus Lüders.

(Report Anzeigenblatt)