Hilferuf in einem Drama

Hilferuf in einem Drama

Mitarbeiter der taumelnden Firma Draftex in Grefrath haben unsere Redaktion besucht und darüber geklagt, wie man mit Menschen in diesem ehemaligen Viersener Großunternehmen für Autogummidichtungen umgeht.

Sie erzählen eine traurige Geschichte.

Viersen/Grefrath. Zurzeit arbeiten noch etwa 270 in dem ehedem so stolzen und gesunden Unternehmen mit einmal knapp 4 000 Mitarbeitern. Sie haben zwei Insolvenzen hinter sich, und der neue Eigentümer, die polnische Sanok Rubber Company AG, droht mit einer weiteren, wenn die Belegschaft nicht weiter Zugeständnisse macht, wie Dennis Radtke sagt, der Bezirksleiter der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie in Moers. Vor zwei Jahren hatte es von der polnischen Unternehmensführung noch geheißen, Draftex passe gut in den Entwicklungsplan und sei ein elementares Glied in der Kette der globalen Ausrichtung der Gruppe. Inzwischen weiß die Belegschaft: Der Name Draftex schon, die Mitarbeiter weniger. Sie mussten auf Lohn verzichten, sie wurden entlassen - zuletzt im März und im September. Gerade wird wieder über einen Sozialplan verhandelt. Die Mitarbeiter, die uns besuchen, können nicht riskieren, ihre Namen in der Zeitung zu lesen. Sie arbeiten noch in der Firma, müssen ihrem Herzen aber Luft machen. So war etwa der Topf der Abfindungen nach dem zweite Insolvenzverfahren durch Zahlungen der Autoindustrie gut gefüllt. Jetzt, am Ende des Jahres, ist fast nichts mehr übrig. Vetternwirtschaft werfen die Arbeiter und Angestellten den Entscheidern vor.

Was Betriebsrat und Firma sagen

Die Mitarbeiter schildern Methoden, die die Betroffenen nur als "menschenverachtend" bezeichnen können. Stehen Kündigungen an, muss jeder Mitarbeiter einzeln zum Kostenstellenleiter, nicht zum Personalchef. Kommt er dann mit einem Umschlag aus dem Büro, weiß jeder sofort: Kündigung - und der Spießrutenlauf beginnt.

Für Mitarbeiter, die durch Beziehungen im Werk geschützt werden, erfolgt kurz vorher eine interne Stellenausschreibung, wird gemunkelt, und diese Mitarbeiter bekommen dann auch den Job. Andere Bewerbungen bleiben unberücksichtigt. Die Demütigungen haben Folgen. Einer weiß: "Bei sehr vielen Viersener Ex-Mitarbeitern haben die letzten Jahre bleibende Schäden in der Psyche hinterlassen."

Dennis Radtke von der Gewerkschaft hat die Talfahrt miterlebt. "Das war über die Jahre schon eine Entlassungswelle - und jetzt geht es nicht mehr weiter. Sie können ja nicht mit drei Mann so einen Betrieb machen." Zurzeit hinterfragt das Unternehmen wieder die Haustarifverträge, "die es ja damals selber wollte." Wenn es nach ihm ginge, werde er keinen Euro mehr zurückstecken. "Die Belegschaft hat ja mehr gegeben, als die Firma investiert hat." Er verstehe: Der Preiskampf in der Zulieferindustrie ist hart. "Aber wir haben auch gesagt: Die Vorstellungen des Unternehmens sind hier nicht durchsetzbar, 8, 7, 6, 5 Euro die Stunde." Da müssten sie ins Ausland gehen.

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Der Betriebsrat um Dieter van Dyk will sich nicht äußern, weil er gerade mit dem Management verhandelt. "Mir sind die Hände gebunden, rufen Sie mich noch mal in zwei Wochen an."

Die Redaktion ruft den Geschäftsführer des Unternehmens, Andreas Schäfer, in dem Moment an, wo der gerade über den Papieren brütet. "Eins kann ich sicher sagen: Das Unternehmen ist noch nicht in ruhigem Fahrwasser."

Eine dritte Insolvenz schließt er aus. Gerade wird ein neuer 3-er BMW entwickelt, Draftex entwickelt ihn mit. "Wir haben Aufträge über 60 Millionen Euro über fünf Jahre bekommen, die aber erst ab Ende 2018, Anfang 2019 buchungswirksam werden." Andreas Schäfer versetzt sich in die Position des Journalisten und sagt: "Man könnte schreiben: 'Für Draftex sieht es gut aus' oder 'Draftex geht durchs Tal der Tränen'." Die Arbeitnehmer neigen wohl eher zur zweiten Fassung, nicht zuletzt, weil auf ihnen großer Druck lastet. Immer öfter werden Pausen durchgearbeitet, um die Stückzahlen zu schaffen. Die Skepsis greift weiter um sich. Zu häufig zerplatzten Versprechungen. "Die haben nun unsere Patente und unsere Kontakte - das war wichtig für sie."

Für viele Mitarbeiter geht es nur noch um eine vernünftige Abfindung. Die hatten im letzten Jahr manche ausgeschlagen, weil es geheißen hatte: 2016 wird auf Entlassungen verzichtet. Mittlerweile geben einige Mitarbeiter nichts mehr auf die Firma, sie glauben, dass es Draftex Mitte übernächsten Jahres nicht mehr geben wird.

Das Internet tröstet wenig. Die Seite draftex.de befindet sich seit Wochen im Wartungsmodus: "Bitte kommen Sie später wieder."

(Report Anzeigenblatt)