Leserbrief zur Serie "Zeitzeugen": Auf den Trümmern gespielt

Leserbrief zur Serie "Zeitzeugen" : Auf den Trümmern gespielt

Rund um unsere Serie "Zeitzeugen", in der Menschen, die das Ende des Zweiten Weltkriegs erlebt haben, von ihrer Kindheit berichten, schrieb uns Ralf Landmesser-Jäger folgenden Leserbrief:

"Neben meinem Elternhaus in der Rheydter Mühlenstraße stand eine ausgebrannte Ruine und meine (verbotenen) Spielplätze waren die Trümmergrundstücke des Zweiten Weltkrieges. Meine Großmutter erzählte mir, wer auf welchem der Grundstücke zu Tode gekommen war, alles Bekannte und Freunde der Familie. Gegenüber gab es den "Russenbunker" auf einem kleinen Industriegelände (jetzt Grünanlage am Ev. Friedhof) zwischen den Wohnhäusern. Wenn nachts eine Propellermaschine über Rheydt donnerte, ängstigte mich Omi mit den Worten "HuuuHuuu - da kommense!" - was meine Fragen provozierte, wer da kam. Und so erzählte sie mir von der Angst im Keller während der Bombenangriffe. So lernte ich, der im Jahr 1952 geboren wurde, den Krieg kennen.

Gegenüber des Waisenhauses ging ich in die Volksschule. Unter uns Kindern kursierten Gerüchte über die üblen Verhältnisse dort und jeder hatte Angst davor, dort hin zu kommen. Einige Jahre später hatte ich Gelegenheit, solche Verhältnisse am eigenen Leib zu spüren: im katholischen Internat. War es im Collegium Augustinianum - Gaesdonk bei Goch noch recht menschlich zugegangen, so fand sich das Kontrastprogramm ausgerechnet beim caritativen Kamillianerorden im Kamillushaus Neuß, Glehner Weg. Strenge und Schläge waren dort an der Tagesordnung, hinzu kam noch geduldetes Mobbing durch die Schüler.

Zum Glück musste ich dies nur zwei Jahre ertragen, aber es hat mich nachhaltig geprägt. Ein Buch zu dem Thema Gewalt gegen Kinder in katholischen Internaten mit erschütternden Berichten ist kürzlich erschienen: "Ich bin hinter Dir", Hrsg. Rolf Cantzen, selbst ehemaliger röm kath. Internatsinsasse.

Herrn Reichenberg kann ich nur empfehlen, sich wenigstens ein bißchen Entschädigung bei der RKK zu erlangen. Eine Narbe am Kopf ist ja ein deutliches Zeichen. Auch in der RKK wurde teils ein faschistoides Verhalten an den Tag gelegt, ohne Achtung vor der Menschenwürde, insbesondere ohne die von Kindern. Nach fast allgemeinem damaligem Verständnis konnten Kinder so etwas wie "Würde" gar nicht haben, sondern galten oft als "Inventar", mit dem man umgehen konnte, wie man wollte. Das zeigte auch der Zwangseinsatz als Kindersoldaten, von dem auch mein Vater betroffen war."